Der eine möchte gerne im Kanzleramt bleiben, die anderen wollen hinein: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und AfD-Chefin Alice Weidel haben vor, die nächste Bundesregierung anzuführen – und werben dafür um die Stimmen der Wahlberechtigten. Dabei tauchen die Namen der vier auf den meisten Stimmzetteln gar nicht auf.
Denn die Wählerinnen und Wähler können weder Scholz noch Merz, Weidel oder Habeck direkt zum Kanzler wählen. Nach dem Grundgesetz bestimmen nämlich ausschließlich die Abgeordneten im Bundestag den deutschen Regierungschef. Dieser muss die Mehrheit der Parlamentarier hinter sich bringen.
Weil aber über die Zweitstimme bei der Bundestagswahl die Zusammensetzung des Parlaments bestimmt wird, entscheiden am Ende doch die Wählerinnen und Wähler quasi über einen Umweg, wer ins Kanzleramt einzieht. Denn je mehr Stimmen eine Partei im Vergleich zu den Mitbewerberinnen erhält, desto mehr Sitze im Bundestag kann sie für sich beanspruchen – und entsprechend ihren Kandidaten ins höchste Regierungsamt bringen.
In der Geschichte der Bundesrepublik kam es bisher nie zu einer Alleinregierung einer einzelnen Partei, sondern stets zu Regierungskoalitionen. Dabei tun sich im Parlament verschiedene Parteien zusammen, um gemeinsam mehr als 50 Prozent der Sitze im Bundestag zu erreichen. Nach einer Wahl führen sie Gespräche über ein gemeinsames Regierungsprogramm und bestimmen unter anderem, wer Bundeskanzler werden soll.
Dieser wird dann mit der Stimmenmehrheit einer solchen Koalition im Bundestag gewählt. In der Regel besetzt der Spitzenkandidat des stärksten Bündnispartners das Amt.
Auch wenn die Vier nicht direkt ins Kanzleramt gewählt werden können, haben einige Wahlberechtigte in Deutschland dennoch die Möglichkeit, bei Merz, Scholz, Habeck oder Weidel ihr Kreuz zu setzen. Denn sie alle werden sich aller Voraussicht nach auch wieder auf einen Sitz im Bundestag bewerben.
Bei der vergangenen Wahl 2021 gewannen der CDU-Chef im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen), der Bundeskanzler in Potsdam (Brandenburg) und der Vizekanzler in Flensburg-Schleswig (Schleswig-Holstein) ihre Wahlkreise. Weidel verpasste im Bodenseekreis (Baden-Württemberg) das Direktmandat. Insgesamt gibt es 299 Wahlkreise.
Treten die Politiker auch 2025 wieder an, stehen sie als Direktkandidaten jeweils in ihren Wahlkreisen auf dem Wahlzettel – und können mit der Erststimme gewählt werden.
Da der Bundestag mindestens doppelt so viele Sitze wie Wahlkreise hat, kommen neben den Erststimmengewinnern auch weitere Bewerber zum Zug. Diese können über die Landesliste einer Partei in den Bundestag einziehen – aber nur, wenn sie dort zuvor von ihren eigenen Leuten aufgestellt wurden.
Als Vorsichtsmaßnahme, falls Polit-Promis ihren Wahlkreis nicht gewinnen sollten, sichern viele Parteien sie über einen aussichtsreichen Listenplatz in einem Bundesland ab.
Holt eine Partei in einem Bundesland über ihre Zweitstimme mehr Parlamentssitze als sie mit der Erststimme Wahlkreise gewinnt, rücken die Listenkandidaten in den Bundestag – der oder die oberste zuerst, dann der oder die zweite und so weiter.
Wie schon 2021 steht AfD-Chefin Weidel auch für die Wahl 2025 wieder auf Platz eins der AfD-Landesliste in Baden-Württemberg – und wird damit auf den Wahlzetteln des gesamten Bundeslandes bei der Zweitstimme unter ihrer Partei namentlich aufgeführt sein. Vergleichbares ist für Scholz in Brandenburg, Merz in Nordrhein-Westfalen und Habeck in Schleswig-Holstein zu erwarten, sollten die drei auf den vorderen Listenplätzen ihrer Parteien auftauchen.
Es ist allerdings im Bundeswahlgesetz nicht vorgeschrieben, dass der Bundeskanzler auch Mitglied des Bundestages sein muss. Sie oder er muss nicht mal Mitglied einer Partei sein. Aber ohne diese Voraussetzungen dürfte es kaum vorstellbar sein, dass eine Mehrheit der Abgeordneten mit Ja stimmt.
Quelle: dpa