Wenn der Weihnachtsklassiker «Do They Know It’s Christmas?» von Band Aid dieses Jahr im Radio läuft, dann klingt er vertraut und doch irgendwie ungewohnt. Zum 40. Jubiläum ist nämlich eine Neuauflage der Benefiz-Single erschienen – ein bombastischer Mix mit den Stimmen der Originalversion von 1984 und der späteren Aufnahmen von 2004 und 2014.
«Ich finde, wir mussten das 40-Jährige feiern», sagt Band-Aid-Initiator Bob Geldof im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. «Und die beste Art es zu feiern, ist mit allen Künstlern, die dazu beigetragen haben.» Im neuen «Ultimate Mix» sind unter anderem Sting, Chris Martin und Sam Smith neben Harry Styles und Robbie Williams zu hören.
Geldof hatte das Lied einst mit Ultravox-Frontmann Midge Ure geschrieben, um Spenden für die Afrika-Hilfe zu sammeln. Anlass war ein Bericht über die verheerende Hungersnot in Äthiopien, der ihn wütend gemacht habe. «Es war so extrem, dass ich etwas Persönlicheres brauchte, als nur ein Pfund oder einen Euro in eine Spendenbox zu werfen», erzählt der 73-Jährige.
«Ich sprach mit Midge, und damit wir einen sicheren Hit landen konnten, haben wir alle, die wir kannten, gefragt, ob sie mitmachen.» So versammelte sich Ende November 1984 in einem Studio im Londoner Stadtteil Notting Hill das Who-is-Who der damaligen Popszene, darunter Boy George, Phil Collins, Sting, Paul Weller und Mitglieder von Duran Duran, Spandau Ballett, Bananarama und U2. Einige Musiker wurden extra dafür eingeflogen.
Viele der jungen Stars standen ganz am Anfang ihrer Karriere. «Die konnten noch nicht mal Noten lesen», erinnert sich Geldof und lacht. Im Studio herrschte Chaos. «Die waren wie ein Haufen Schulkinder. Boy George hat etwas eingesungen, dann haben die Jungs von Spandau Ballet ihn ausgebuht und gesagt: „Das ist Müll.“ Es war sehr witzig.»
Wham!-Sänger George Michael nahm mit gemischten Gefühlen teil. «Der Song ist echt eingängig», sagte er seinerzeit der TV-Journalistin – und damaligen Ehefrau von Geldof – Paula Yates. «Es ist eine echte Gefahr für unsere vierte Nummer-Eins-Single.» Auf die Frage von Yates, was die nächste Single von Wham! sein werde, antwortet der junge Michael schüchtern: «Sie heißt „Last Christmas“, es ist eine Weihnachtssingle.»
Nur wenige Tage später erschien «Last Christmas» fast zeitgleich zu «Do They Know It’s Christmas». Und Michaels Befürchtung wurde wahr. Die Chartspitze blieb Wham! im Duell der Weihnachts-Hits verwehrt. «Last Christmas» wurde zwar ein Megahit, kam aber nur bis auf Platz zwei. Den Erlös spendete George Michael an Band Aid. «Das war wirklich unglaublich», sagt Geldof. «Er war ein großartiger Künstler, hatte eine fantastische Stimme, und er war ein guter Typ.»
39 Jahre später – sieben Jahre nach George Michaels Tod – schaffte es «Last Christmas» im vergangenen Jahr endlich auf Platz eins. «Mission erfüllt!», jubelte Michaels früherer Wham!-Kollege Andrew Ridgeley im Interview der «Official Charts»-Website. «George wäre außer sich vor Freude.»
Der Hype darum, wer Weihnachten an der Chartspitze steht, ist ein kulturelles Phänomen auf der Insel. Es begann in den 70er Jahren, als Pop- und Rockbands zunehmend Weihnachtslieder aufnahmen. «Merry Xmas Everybody» von Slade (1973) oder «Mary’s Boy Child/Oh My Lord» von Boney M. (1978) toppten zum Fest die britische Hitparade.
Im Streaming-Zeitalter, wo die Charts anders bemessen werden, konkurriert die Jubiläums-Neuauflage von «Do They Know It’s Christmas?» erneut mit «Last Christmas» sowie mit anderen Dauerbrennern wie Mariah Careys «All I Want For Christmas Is You». Auch Ed Sheeran veröffentlicht eine Weihnachtssingle.
Apropos Ed Sheeran: Der 33-Jährige, der 2014 bei Band Aid mitsang, distanzierte sich nun davon und sagte, ihm wäre es lieber gewesen, man hätte seinen Gesang nicht für die neue Version genutzt. Er teilte ein Video seines Kumpels Fuse ODG. Darin kritisiert der britisch-ghanaische Künstler, Band Aid würde den Stolz Afrikas verletzen und schädliche Stereotype verstärken. Fuse ODG betonte: «Ja, wir wissen, dass Weihnachten ist!»
Geldof weist diese Kritik zurück. Das Geld werde dringend gebraucht, ist der Band-Aid-Macher überzeugt. Er begrüße aber die Debatte. «Die Debatte ist für mich – und für uns alle – genauso wichtig wie das Geld.» Mit Sheeran wolle er sich zusammensetzen. «In der Zwischenzeit werden wir ein hungriges Kind ernähren. Wir werden versuchen, einem verletzten Menschen zu helfen.»
Bob Geldof macht sich keine Illusionen, dass die Neuauflage so viel bewirken kann wie die erste Single 1984. Schließlich fließe beim Streaming kaum Geld. Der Musiker und Aktivist hofft jedoch, dass viele die CD und die LP kaufen. «Die Platte ist eine Brücke zwischen einem hungrigen Kind und einem Essen.» Das Geld, versichert er im dpa-Gespräch, fließe direkt in die Hilfe für Menschen, die es dringend brauchen. «Das garantierte ich euch.»
Auf der neuen CD und LP ist neben dem «Ultimate Mix» und den Aufnahmen von 1984, 2004 und 2014 auch die Aufnahme vom «Live Aid»-Konzert im Wembley-Stadion von 1985 enthalten. Das neue Artwork stammt wie 1984 von dem Künstler Peter Blake, der auch das ikonische Cover für «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» von den Beatles schuf.
Quelle: dpa