Wahl in EU- und Nato-Land

Rumänien: Rückt Extremist das Parlament nach rechtsaußen?

01. Dezember 2024 , 04:45 Uhr

Der Rechtsextremist Georgescu kam in der ersten Runde der Präsidentenwahl auf Platz eins und könnte die Stichwahl gewinnen. Davor steht nun noch die Parlamentswahl an - die er wohl auch beeinflusst.

Der schillernde Rechtsextremist, Putin-Anhänger und Esoterik-Freund Calin Georgescu hat durch seinen überraschenden Erfolg bei der ersten Runde der Präsidentenwahl Rumäniens Politik heftig aufgemischt. Der vor der Wahl kaum bekannte 62-Jährige könnte nun auch das Parlament in dem EU- und Nato-Land nach rechtsaußen rücken, das an diesem Sonntag neu gewählt wird. Die wichtigsten Fragen zu Georgescu und seinem möglichen Einfluss auf die Parlamentswahl:

Wer ist Calin Georgescu?

Der geborene Bukarester stellt sich selbst als Antisystem-Person dar, die von außerhalb des politischen Establishments kommt. Dabei ist der studierte Landwirtschafts-Ingenieur tief in Rumäniens Staatsapparat verwurzelt. Als Experte für Umweltpolitik und nachhaltige Entwicklung hat er in den 1990er Jahren für das Außenministerium und für das Umweltministerium in Bukarest gearbeitet. 2010 bis 2012 war er Mitarbeiter des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, später für die gemeinnützige Organisation Klub von Rom (Club of Rome), die sich für Nachhaltigkeit einsetzt. 

Seit 2021 ist er Dozent an einem Ableger der Polytechnischen Universität Bukarest in Pitesti, 100 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt. 1993 bis 1994 war er Stipendiat der britischen Regierung für ein Trainingsprogramm zum Management von Naturparks. 2007 absolvierte er einen Postgraduierten-Kurs am Nationalen Verteidigungskolleg in Bukarest, der klassischen Kaderschmiede für Politiker in Rumänien.

Womit hat Georgescu Aufmerksamkeit und Sympathie bekommen?

Er hat in den vergangenen Monaten vor allem auf der App Tiktok mit Videos für sich geworben. In den Jahren davor war er in verschiedenen Nischen-TV-Sendern aufgetreten, die gerne Boulevard-Inhalte und Verschwörungstheorien verbreiten. Er wurde dort als Experte für Weltpolitik interviewt. Immer wieder war er Redner bei Veranstaltungen rechtsextremer Vereine und in Kirchen. Vor allem mit zwei Hauptthemen hat er sein Publikum gefunden: zum einen mit christlich-orthodoxem Glauben, kombiniert mit Esoterik, dargebracht im Stil von Predigern, zum anderen mit der Ideologie der rumänischen Faschisten. 

Was ist an Georgescu noch auffällig?

Er äußert Kalendersprüche wie: «Wasser ist der Schlüssel des Lebens, aber es wird missverstanden. Es ist die subtile Energie, die den Geist mit der Materie verbindet» oder «Christus ist auferstanden, damit das rumänische Volk ein Leuchtturm der Welt wird». Oder auch: «Der Geist muss sterben, damit es Freiheit gibt» und «Ein Kaiserschnitt ist eine Tragödie, weil dadurch der göttliche Faden zerrissen wird». Es gibt Hunderte solcher Sprüche von ihm. 

Verliert er dadurch nicht die politische Glaubwürdigkeit?

Die Verbindung von Politik und Esoterik ist Rumänien nicht fremd. Fanatischer christlicher Glaube war bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ein zentrales Element der faschistischen Ideologie, die damals in Rumänien von den «Legionären» vertreten wurde. Mehrfach hat Georgescu markante Figuren der rumänischen Faschisten verherrlicht, darunter auch Kriegsverbrecher. Weil dies in Rumänien verboten ist, gibt es dazu eine Anzeige gegen ihn – was daraus wurde, ist nicht bekannt.

Warum begeistert Georgescu damit Menschen in Rumänien?

Seine Ideen haben in Teilen parteiübergreifend Resonanz, weil die faschistische Vergangenheit nicht breit und ausführlich aufgearbeitet wurde. Manche «Legionäre» genießen Anerkennung als antikommunistische Widerstandskämpfer. Zudem ist diffuser Anti-Globalismus verbreitet. Diesen bedient Georgescu mit der Verschwörungstheorie von «neu-satanistischen Neomarxisten» in der westlichen Welt, die das Ruder übernehmen wollten.

Wer regiert derzeit und wie stehen die Prognosen für die Parlamentswahl?

In Rumänien regiert derzeit eine große Koalition aus Sozialdemokraten (PSD) und Bürgerlichen (PNL) unter Ministerpräsident Marcel Ciolacu (PSD). In der jüngsten Umfrage des Instituts AtlasIntel lag die extrem rechte Partei AUR mit 22,4 Prozent vorne, gefolgt von PSD mit 21,4 Prozent und der konservativ-liberalen USR mit 15,5 Prozent. PNL liegt demnach bei 13,4 Prozent. Ferner stehen zwei weitere Parteien, die noch weiter rechts als AUR liegen, knapp unter der 5-Prozent-Hürde und könnten ins Parlament einziehen.

Wie kann Georgescu die Parlamentswahl beeinflussen?

Der parteilose Georgescu hat sich offiziell für keine Partei bei der Parlamentswahl ausgesprochen. Allerdings unterstützt die aktuelle Rechtsaußen-Partei AUR ihn im Präsidentschaftswahlkampf und hat eine Wahlempfehlung für die Stichwahl der Präsidentenwahl am 8. Dezember für Georgescu abgegeben. Sie tat dies Beobachtern zufolge auch aus dem Kalkül, so selbst besser bei der Parlamentswahl abzuschneiden. Der Erfolg von Präsidentenkandidaten hat in Rumänien bisher stets die Parteien beflügelt, die sie unterstützen.

Hätte Georgescu Chancen, seine Ideen im Parlament durchzusetzen?

Der Präsident bestimmt in Rumänien die Außen- und Sicherheitspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt. Gesetzesinitiativen kann er nicht einbringen, aber er kann beschlossene Gesetze verzögern. Prinzipiell dürfte die AUR bei der Wahl in der Volksvertretung stärker werden. Die 2019 gegründete Partei war durch Propaganda gegen Corona-Schutzmaßnahmen erstarkt, flankiert von markanten Würdenträgern der Orthodoxen Kirche. In der Russland-Frage dürfte es einen Dissens mit AUR geben. Denn AUR ist im EU-Parlament Teil der EKR-Fraktion, die russlandkritisch ist. Allerdings könnten jetzt zwei weitere Parteien ins Parlament kommen, die noch weiter rechts stehen als AUR. 

Wie zeigt Georgescu seine Nähe zu Russland?

Bekannt sind dazu Aussagen wie: «Die Chance Rumäniens liegt in der Weisheit Russlands». Kremlchef Wladimir Putin tue nichts anderes, als sein Land zu lieben. Im Übrigen existiere der Krieg Russlands gegen die Ukraine gar nicht, Nachrichten darüber seien eine Erfindung.

Quelle: dpa

 

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