Zum 86. Jahrestag der NS-Novemberpogrome fordert eine der prominentesten Vertreterinnen der jüdischen Gemeinde in Deutschland dauerhaft robuste Gegenwehr der Demokraten gegen Antisemitismus und Hass auf Minderheiten. «Antisemitismus ist ein wahnhaftes Weltbild, das autoritäres Denken in sich trägt wie die Wolke den Regen», sagte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, am Samstagabend bei einer Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus der Landeshauptstadt. «Rassismus, Xenophobie, Frauenfeindlichkeit, Homophobie: Das alles reüssiert, wo Judenhass sich Raum greift.»
Die 1932 in München als Tochter eines Rechtsanwalts geborene Knobloch ist eine der wenigen noch lebenden Zeitzeuginnen. «Ein Teil von mir ist bis heute das sechsjährige Mädchen geblieben, das voller Angst die Hand seines Vaters hält, das zwischen dem Schreien der Opfer und dem Johlen der Täter durch die Straßen Münchens irrt», sagte sie in ihrer sehr persönlichen Rede. «Das weiß ich auch nach vielen Jahrzehnten noch: Dass es niemanden gab, der half oder eingriff.» Die Erinnerung an die Vergangenheit sei längst wieder eine «Erinnerung an die Gegenwart», sagte sie unter Verweis auf die Hetzjagden auf israelische Fußballfans in Amsterdam. Engagiert zu bleiben, sei viel verlangt. «Aber im Schongang wird die freie Gesellschaft den Hass nicht niederringen.»
München war die Stadt, von der aus Hitler und die NS-Spitze am Abend des 9. November 1938 die deutschlandweite Welle der Ausschreitungen und willkürlichen Verhaftungen in Gang gesetzt hatten. In der Nacht verwüsteten Mobs etwa 7.500 jüdische Geschäfte und Einrichtungen in Deutschland. Sie zündeten einen Großteil der rund 1.200 Synagogen und Gebetshäuser an, demolierten jüdische Friedhöfe und stürmten Wohnungen. Historiker gehen von mehr als 1.300 Menschen aus, die in Folge des Pogroms ums Leben kamen. Mehr als 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt.
Quelle: dpa