Koalitionskrise

«Ich bin der Kanzler» - Scholz appelliert an Ampel-Partner

04. November 2024 , 17:21 Uhr

In Berlin laufen Krisengespräche: Hält die Ampel durch oder kommt es zu einer vorgezogenen Neuwahl? Bundeskanzler Scholz richtet einen Appell an die Koalition.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Erwartung geäußert, dass die angeschlagene Ampel-Koalition ihre Arbeit fortsetzt. Die Regierung sei gewählt, im Amt und werde ihre Aufgaben erledigen, sagte der SPD-Politiker in Berlin am Rande eines Treffens mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte auf Nachfrage von Journalisten.

Vorher hatte sich Scholz im Kanzleramt mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) getroffen. Das Gespräch leitete eine Reihe von Spitzenrunden ein, in denen in den kommenden Tagen geklärt werden soll, ob und wie die angeschlagene Koalition angesichts in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen kann. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte von einer «Woche der Entscheidung» gesprochen.

Scholz fordert seriöse Arbeit von Koalition

Scholz sagte: «Ich bin der Kanzler. Es geht darum, dass wir in ernsten Zeiten die Herausforderungen bewältigen, vor denen wir stehen. Es geht um Wirtschaft und Arbeitsplätze. Es geht um Pragmatismus und nicht um Ideologie.» Er sprach von Aufgaben, die gelöst werden müssten «und dazu muss man seriös arbeiten. Das ist das, was ich von allen erwarte.»

Grüne: Wir wollen den Bruch nicht – «einfach unseren Job tun»

Auch Grünen-Chef Omid Nouripour forderte die Ampel-Partner zum Durchhalten auf. «Wir wollen den Bruch nicht. Wir gehen auch davon aus, dass andere vertragstreu sind und wir die Arbeit, die wir hier miteinander machen, zu Ende bringen», sagte er in Berlin. Habeck sagte: «Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert.» Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) appellierte bei einem Besuch in der Ukraine an die Koalition, dass sich im Sinne internationaler Verantwortung «vielleicht alle ein bisschen zusammenreißen, einfach unseren Job tun». FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte nach einer Sitzung der Spitzengremien seiner Partei deutlich, dass es nun um Ergebnisse bis zum Koalitionsausschuss des Ampel-Bündnisses am Mittwochabend gehe.

Ampel-Koalitionäre beraten in mehreren Runden

Die Koalition versucht ihre Differenzen zunächst in kleineren Runden beizulegen. Auch für Dienstag ist nach Angaben aus Regierungskreisen eine Dreierrunde mit Scholz, Lindner und Habeck angesetzt. Am Mittwoch kommt mit dem Koalitionsausschuss dann eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören.

Im Zentrum des Streits zwischen den Regierungspartnern stehen die Wirtschaftspolitik und der Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Schaffen es SPD, Grüne und FDP nicht, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen, droht der seit drei Jahren regierenden Koalition ein vorzeitiges Ende und das Land stünde vor einer vorgezogenen Bundestagswahl. 

Bild der Uneinigkeit: Getrennte Gipfel und Papiere

Zugespitzt hatte sich der Streit in der Ampel über die richtigen Maßnahmen angesichts der Konjunkturflaute und über Prioritäten bei den Staatsausgaben Ende vergangener Woche. In einem Grundsatzpapier hatte Lindner eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik gefordert. Zuvor hatten die Koalitionspartner bereits ein Bild der Uneinigkeit abgegeben, als Wirtschaftsvertreter zu getrennten Gipfeln mit Kanzler Scholz und der FDP-Seite mit Lindner eingeladen wurden, während Wirtschaftsminister Habeck ebenfalls eigene Vorschläge zur Verbesserung der Lage in einem Impulspapier vorlegte.

Der Reigen der getrennten Gipfel mit Wirtschaftsvertretern ging am Montag weiter. Nach dem Gespräch mit Scholz und Habeck fuhr Lindner in den Bundestag zu einem FDP-Treffen mit rund und 20 Vertretern von Wirtschaftsverbänden. «Es müssen jetzt Ergebnisse geliefert werden», sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr anschließend. Auf die Frage, wie entscheidend der Koalitionsausschuss sei, sagte er: «Ich orientiere mich nicht an Deadlines, sondern ich orientiere mich an Ergebnissen.» 

Opposition sieht Ampel am Ende

Einhellig sind die Reaktionen der Opposition mit Blick auf die Lage der Koalition: «Die Ampel muss jetzt staatspolitische Verantwortung übernehmen, nämlich die Sache zu beenden», sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien in Berlin. Deutschland brauche einen Neustart. Es müsse so schnell wie möglich zu einer Neuwahl kommen. CSU-Generalsekretär Martin Huber forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Eingreifen auf: «Es ist höchste Zeit, dass der Bundespräsident den Streithähnen klarmacht, dass es Zeit für Neuwahlen ist.»

AfD-Chefin Alice Weidel schrieb bei X: «Deutschland braucht keine Koalition, die sich auf Therapiesitzungen mit sich selbst beschäftigt, sondern eine Regierung, die den wirtschaftlichen Absturz unseres Landes stoppt!» BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sagte «Welt»: «Die Woche der Entscheidungen sollte zur Scheidungswoche der Ampel werden. Ein viertes Ampel-Jahr würde für die Wirtschaft unumkehrbare Verwerfungen bedeuten und millionenfach Wohlstand vernichten.» Die Co-Vorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, kritisierte Scholz. Dieser zitiere nun wie ein Schulleiter Finanzminister Lindner zu sich, um mit mahnenden Worten «irgendeine Form von Zusammenarbeit in dieser Koalition noch möglich zu machen».

Quelle: dpa

 

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