Der heftige Dämpfer unmittelbar vor der Vierschanzentournee brachte Pius Paschke nicht aus der Ruhe. «Wenn du ganz vorne mitmischen willst, musst du Risiko gehen. Heute war es mit dem Schneefall schwierig. Da kann es einfach sein, dass man über das Ziel hinausschießt», sagte Paschke nach Platz 18 im Schneetreiben von Engelberg – seinem bisher mit Abstand schlechtesten Saison-Wettkampf.
«Heute war wirklich nicht so gut, wir hatten zu wenig Dynamik am Schanzentisch. Auch die Flug-Performance war nicht optimal. Damit müssen wir leben», sagte ein sichtlich ernüchterter Bundestrainer Stefan Horngacher in der ARD. Ausgerechnet im letzten Weltcup vor dem großen Schanzenspektakel lassen Paschkes Sprünge auf 123 und 129 Meter aber ordentlich Zweifel an der Form des bisherigen Überraschungs-Überfliegers aufkommen.
Der 34 Jahre alte Bayer reist zwar in Gelb nach Oberstdorf, doch die Dominanz von vor einer Woche in Titisee-Neustadt wirkte in der Schweiz wie verschwunden. Auch Karl Geiger (Platz neun) und Andreas Wellinger (15.) schafften es am Sonntag bei immer dichterem Schneetreiben nicht auf das Podium.
Dort fanden sich wie am Samstag die Österreicher, diesmal gleich im Dreierpack. Daniel Tschofenig gewann vor Jan Hörl und Stefan Kraft. Auf die Frage, ob ihm die ÖSV-Adler mit ihrer großartigen Form Angst machten, antwortete Paschke: «Das macht keine Angst. Wer gut springt, darf auch ganz vorne sein.» Können Tschofenig und Co. diese Form über Weihnachten konservieren, sind sie auch bei der Tournee diejenigen, die es zu schlagen gilt.
Tags zuvor war Wellinger als bester Deutscher Vierter geworden. Paschke hatte Rang zehn belegt. Vor den beiden Wettkämpfen in der Schweiz hatte es in dieser Saison bisher immer mindestens ein deutscher Springer auf das Podest geschafft.
Schon vor dem traditionellen letzten Formtest in dem malerischen Örtchen in der Schweiz war klar: Paschke wird den Gesamtweltcup auch über die Weihnachtsfeiertage und bis hin zum Tournee-Start anführen. Damit ist er automatisch einer der großen Favoriten beim Spektakel rund um den Jahreswechsel.
Auf ihm ruhen die Hoffnungen, dass erstmals seit Sven Hannawald 2002 wieder ein Deutscher die Tournee gewinnt. Aber: Noch nie ist ein DSV-Adler, der in Gelb zur Tournee gereist ist, mit dem goldenen Adler für den Gesamtsieger im Gepäck wieder abgereist.
«Alles im Rahmen», hatte der Skisprung-Oldie noch nach dem ersten Teil der beiden Weltcup-Einzel betont. «Wir wissen schon, wo wir ansetzen müssen.» Nach seinem zehnten Platz am Samstag stellte der 34-Jährige noch nüchtern fest: «Wenn man ein paar kleine Fehler macht, sind die anderen gleich da und springen dann halt besser.» Am Sonntag sprangen einige besser als Paschke.
In der Pause will Paschke mal nicht an Skispringen denken. Der Polizeiobermeister aus Kiefersfelden freut sich auf besinnliche Tage mit seiner Familie. Festtagsfreuden mit strahlenden Kinderaugen von Sohn und Tochter statt Schanzentrubel. Abschalten, bevor die womöglich aufregendste Zeit in Paschkes Skisprungleben beginnt.
Die Favoritenrolle beim Höhepunkt im Wettkampfkalender ist für den Spätstarter etwas völlig Neues. Erst im vergangenen Jahr feierte Paschke seinen ersten Weltcupsieg im Einzel überhaupt – mit 33. In dieser Saison folgten fünf Siege in zehn Wettkämpfen. Hält er dem Druck und Rummel statt?
Teamkollege Wellinger kennt das Gefühl des Erfolgs, die Begehrlichkeiten von Fans und Öffentlichkeit. Der Olympiasieger tritt meist locker auf, hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Wellinger ist ein Medienprofi – und neben Paschke der zweite Tournee-Hoffnungsträger im Team von Chefcoach Horngacher.
Quelle: dpa