SPD-Kanzlerkandidatur

Wütende Jusos und eine reumütige Parteichefin

24. November 2024 , 16:44 Uhr

Die K-Frage der SPD ist entschieden, aber die quälende Debatte darüber wirkt nach. Die Jusos machen ihrem Ärger Luft, die Parteiführung beschwichtigt. Versammelt sich die SPD hinter ihrem Kandidaten?

Nach den Querelen um die Kanzlerkandidatur versucht die SPD-Führung die Scherben möglichst schnell aufzukehren. SPD-Chefin Saskia Esken stellte sich am Wochenende auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten (Jusos) in Halle der massiven Kritik des Jugendverbands und zeigte sich reumütig: «Nein, wir haben kein wirklich gutes Bild abgegeben bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten.»

Zuvor hatte Juso-Chef Philipp Türmer Esken und ihrem Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil Führungsversagen vorgeworfen und von einer «Shit Show» gesprochen. «Ich muss sagen, mir hat an dieser Stelle wirklich der Plan und auch tatsächlich die Führung in dieser Frage der Parteispitze gefehlt.»

Klingbeil verteidigt Vorgehen erneut

SPD-Chef Lars Klingbeil verteidigte das Vorgehen der Parteiführung allerdings erneut. «Mein Führungsanspruch ist schon, dass man in die Partei reinhorcht, dass man Debatten führt, dass man in unterschiedlichen Szenarien auch denkt», sagte er im Deutschlandfunk. 

Klingbeil räumte aber auch ein, dass er sich die Diskussion anders vorgestellt hätte und rief dazu auf, den Blick jetzt nach vorne zu richten. «Jetzt sind alle gemeinsam auch in der Pflicht, den Schalter umzulegen und zu gucken, dass wir in den Wahlkampf starten.»

Die Parteiführung hatte nach dem Platzen der Ampel-Koalition und der Neuwahl-Entscheidung darauf verzichtet, Regierungschef Olaf Scholz sofort als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Dadurch war in den vergangenen zwei Wochen eine Debatte über eine Einwechslung des laut Umfragen weitaus beliebteren Verteidigungsministers Boris Pistorius entstanden. Sie wurde erst am Donnerstag durch Pistorius‘ Verzicht auf die Kandidatur beendet. 

Kritik an Scholz auch aus der Parteiführung 

Am Montag will der Vorstand nun Scholz offiziell als Kanzlerkandidaten nominieren. Am 11. Januar soll er auf einem Parteitag bestätigt werden. Ob sich die Partei dann geschlossen hinter ihm versammelt, wird man noch sehen. 

Juso-Chef Türmer sagte in Halle zwar, dass die Kandidaten-Debatte für ihn nun beendet sei. Ein klares Bekenntnis zu Scholz war von ihm aber nicht zu hören. Stattdessen kam auf dem Kongress selbst aus der Parteiführung Kritik am Kurs des Kanzlers in der Migrationspolitik. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli warf ihm vor, schnellere Abschiebungen in den Mittelpunkt zu stellen. «Dafür, lieber Olaf, haben wir nicht die Wahl 2021 gewonnen», sagte sie und löste Jubel der rund 500 Delegierten aus.

Auch andere Redner machten ihrem Frust Luft. Ein Delegierter sagte, dass die Unterstützung für Scholz «nicht gottgegeben» sei. «Ich weiß nicht, ob ich in der Kälte stehen und für Olaf Wahlkampf machen werde.» 

Esken sieht die SPD durch K-Debatte nicht beschädigt

Esken sprach trotzdem davon, dass es nun «eine große Einigkeit» in der SPD gebe. «Wir gehen aus dieser Debatte nicht beschädigt, sondern auch gestärkt hervor», sagte sie. «So eine geschlossene Partei, die sich jetzt auch hinter dem Spitzenpersonal versammelt und gemeinsam losläuft, ist die Stärke der SPD. So werden wir die Wahl gewinnen.»

Auch der stellvertretende Parteivorsitzende Hubertus Heil rief die Jusos auf, sich nun auf die Wahl in drei Monaten am 23. Februar zu konzentrieren. Die SPD müsse sich jetzt «verdammt nochmal zusammenreißen und gemeinsam stehen, damit wir gewinnen». Sie sei schließlich «keine Selbsthilfegruppe».

Scholz wieder nicht auf dem Juso-Kongress

Die Jungsozialisten sind die Jugendorganisation der SPD mit rund 70.000 Mitgliedern zwischen 14 und 35 Jahren. Sie stellen fast ein Viertel der SPD-Abgeordneten im Bundestag. Scholz nahm am Bundeskongress nicht teil. Der frühere Juso-Vizechef war in seinen fast drei Jahren als Regierungschef noch nie auf einem Kongress der Parteijugend.

Pistorius nennt Scholz «den richtigen Kanzlerkandidaten»

Klar hinter Scholz stellte sich am Wochenende ein anderer, dessen Unterstützung der Kanzler im Wahlkampf besonders brauchen wird. Der Verteidigungsminister und laut Umfragen beliebteste Politiker des Landes, Pistorius, nannte ihn bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Arnsberg im Sauerland den «richtigen Kanzlerkandidaten». Er stehe für «Vernunft, Ruhe und Besonnenheit und für einen klaren Kompass».

Pistorius betonte erneut, dass er sich als Kandidat nie ins Spiel gebracht und die Debatte nicht gewollt habe. «Ich liebe meine gegenwärtige Aufgabe, wirklich», sagte er. Er sei mit seiner Arbeit für die Bundeswehr noch nicht fertig und strebe eine zweite Amtszeit als Verteidigungsminister an. 

Großer Wahlkampfauftakt am 30. November

Nach der Nominierung im Parteivorstand werden sich Scholz, Esken und Klingbeil am Montag gemeinsam den Fragen der Hauptstadtjournalisten stellen. Am 30. November soll Scholz auf einer «Wahlsiegkonferenz» im Berliner Willy-Brandt-Haus seine erste große Wahlkampfrede halten. Die Ausgangslage könnte ungünstiger kaum sein. In den Umfragen liegt die SPD mit 14 bis 16 Prozent etwa 16 bis 19 Punkte hinter der Union.

Quelle: dpa

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